Experteninterview

„Datenschutz ist Jugendschutz!“

Weil Kinder von Werbetreibenden ausspioniert werden, sind klare gesetzliche Regelungen nötig.

Stephan Dreyer ist Senior Researcher Medienrecht & Media Governance am Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI) in Hamburg, fordert strengere Datenschutzregeln für Kinder und Jugendliche.

Datenschutz – ein Thema auch für Kinder?

Schon Zehnjährige geben viele Daten von sich preis, wenn sie sich im Netz bewegen oder Apps nutzen. Sie werden von Werbetreibenden beobachtet und „profiliert“. Wenn das erste eigene digitale Endgerät ins Kinderzimmer einzieht, hinterlassen Kinder sofort eigene Spuren. Vorher passiert das auf den Geräten ihrer Eltern – mit Spielen und Videos. Damit können Werber aber nichts anfangen.

Und wann ändert sich das?

Teilweise schon in der ersten Klasse, auf jeden Fall immer früher. Die Datenverbreitung explodiert dann, wenn Geräte mit Accounts verbunden und wiedererkannt werden können. Wenn sich Kinder auf WhatsApp anmelden, bei Instagram, TikTok oder Snapchat. Jede App, jede Nachricht, jede aufgerufene Seite wird jetzt vermerkt. Die Auswertung dieser Nutzungsdaten passiert durch ein großes Netzwerk von Werbespionen. Alle Nutzer des Internets, auch Kinder, werden so profiliert.

Was ist schlimm daran, wenn Werbung zu mir passt?

Wenn Heranwachsende sich täglich im Netz neu ausprobieren, wie sie es auch im physischen Leben tun, werden sie schnell festgenagelt auf Interessen und Verhaltensweisen, die nach einem Tag schon nicht mehr wichtig sind. Das Tracking funktioniert aber „zeitstabil“. Auf diese Weise wirft man nachhaltig falsche „Datenschatten“. Die Profilierung seitens der Werbeindustrie wird der Dynamik des Erwachsenwerdens nicht gerecht. Problematisch ist, dass Kindern – im Gegensatz zu Erwachsenen – dieses Ausspionieren meist nicht bewusst ist, sie deshalb nicht darauf reagieren können. Andersrum wäre es auch bedenklich: Wenn Kindern und Jugendlichen nun das wichtige Sichausprobieren madiggemacht würde, weil sie sich beobachtet fühlten.

Ältere wissen dann Bescheid über die Profilierung?

Sehr häufig. Aber diejenigen, die sich beobachtet fühlen, denken oft, es seien die Anbieter selbst, die spionieren: WhatsApp, Instagram, Facebook. Vom Ausmaß der Bespitzelung haben sie keine Vorstellung. Eltern und Lehrer wissen das auch nicht, fallen als Vermittler von „Awareness“ meist aus. Richtig gut vermitteln das freie Medienpädagog*innen mit ihren „wandernden Interventionen“. Die erreichen aber die Breite der Jugendlichen nicht.

Klingt ja alles nicht so optimistisch …

Stimmt, eher nicht. Ich bin Medienjurist, als solcher sehe ich das so: Hier bestehen Risiken. Es gibt aber keine organisierte Aufklärung in der Fläche. Somit hat der Jugendschutz an diesem Punkt versagt. Und wir müssten anfangen, ans Regulieren zu denken: an ein Verbot, Kinder zu tracken. Ich möchte es so formulieren: Guter Datenschutz muss Teil des Jugendschutzes sein. Wir müssen also über Verbote für die Werbespione sprechen!

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