Mediennutzung

Modern Family

Was passiert abends, halb acht, auf dem Sofa einer ganz normalen deutschen Familie im 21. Jahrhundert? Medienkonsum und Multitasking. Eine Kolumne über einen Familienabend im digitalen Zeitalter.


Lichtschalter auf einer Tapete mit einem bunten Papageien
(c) Felix Amsel

Gestern Abend, halb acht, ein Sofa in Deutschland. Darauf sitzen Mutter, Vater, Sohn und Tochter. In der Ecke steht ein laufender Fernseher (eine Vorabend-Soap). Der Herr Papa surft dabei auf Ebay (die Auktion endet gleich), die Frau Mama beantwortet mit Laptop Nr. 2 E-Mails (die Klassenlehrerin der Tochter hatte geschrieben), der Sohn daddelt auf seinem Nintendo DS (er ist schon in Level 5!) und die Tochter liest die gerade eingetroffene – PIEP – SMS (die Freundin hat endlich neue Schuhe). Ach ja, und aus der Küche nebenan dudelt Musik aus dem Radio („We are family“ von Sister Sledge).

Kommt Ihnen bekannt vor? Familienleben anno 2013. Medien gehören in jeder Sekunde dazu. Und Medienkonsum ist Multitasking. Von allen Seiten strömen neue Nachrichten, Töne, Bilder und wieder Nachrichten per – PIEP – SMS, über WhatsApp und bei Facebook auf uns ein. Überlegen Sie mal: Wie oft am Tag rufen Sie Ihre E-Mails ab? Nachrichtenseiten, Shoppingportale, YouTube-Clips? Kurz ins Internet – in die Welt – schauen und dann wieder zurück ins eigene Leben. Auf den ersten Blick wirkt das stimulierend und erfrischend. Wir haben das Gefühl, mehr zu tun. In Wirklichkeit aber werden wir gebremst: Hirnforscher zufolge brauchen wir nach einer Ablenkung von 30 Sekunden zwischen fünf und 15 Minuten, um wieder ganz konzentriert bei unserer ursprünglichen Aufgabe zu sein.

PIEP, PIEP (entschuldigen Sie, das Handy der Tochter …)

Das Problem, das dadurch entstehen kann, ist weniger der Zeitverlust, als dieses: Um eine Sache wirklich zu begreifen, müssen wir uns – erstens – wirklich auf sie konzentrieren können. Stattdessen wandert unsere Aufmerksamkeit heute oft rastlos hin und her, ruht kaum noch irgendwo länger, getrieben vom nächsten Reiz, einem Link, einer Kurznachricht. Und manchmal – zweitens – brauchen wir noch etwas ganz anderes als Konzentration: einfach Ruhe. Psychologen wissen längst: das Gehirn braucht neben dem Schlaf Ruhepausen, um Erlebtes zu verarbeiten. Wann soll das heute noch möglich sein? Früher hatte unser Denkorgan wenigstens das warten am U-Bahnsteig oder in der Supermarktschlange, heute lesen wir dort – PIEP – SMS und rufen schnell die neuesten Mails ab.

Und nun? Sollen Mutter, Vater, Tochter, Sohn alles ausschalten und schweigen? Nein, das wäre doch auch übertrieben, oder? Medien sind ein Tor zur Welt und wichtig. Sie sind Teil unseres Alltags wie das Einmaleins und das ABC. Es geht um die Balance, nicht um den Medien-Ausstieg. Um Konzentration und das richtige Maß, nicht um Resignation. Ersteres tut nämlich gut. Phasen, in denen wir unsere Aufmerksamkeit wirklich auf eine einzige Tätigkeit richten, und alles um uns herum vergessen, auch die Zeit. Psychologen sprechen dann vom Flow. Das kann alles sein: ein mitreißendes Buch, ein spannendes Gespräch, ein Spiel und – ja – auch eine TV-Serie.

Also vielleicht so: Viertel nach acht, der Vater klappt den Computer zu (die Auktion war sowieso irrwitzig), der Sohn legt den Nintendo weg (morgen kann er ja weiterspielen), die Tochter macht das Handy aus (unter Protest und nur ausnahmsweise), die Mutter dreht in der Küche das Radio aus. Und nun gucken sie gemeinsam diese lustige neue TV-Serie auf diesem Privatsender: „Modern Family“, die Folge heute: „Bei dir piept’s wohl“.

Und danach: abschalten.


Dieser Artikel ist in der scout-Ausgabe 1_2013 erschienen.

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