Interview zur Mediennutzung von Kita-Kindern

Schon kleinen Kindern wird kommentarlos das Smartphone gereicht

„Es gibt einen Zusammenhang zwischen einer intensiven Mediennutzung und Entwicklungsstörungen von Kindern“, sagt Dr. Stefan Renz.

Dr. Stefan Renz ist niedergelassener Kinderarzt im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel und Vorsitzender des Hamburger Landesverbands der Kinder- und Jugendärzte.

Mediennutzung im Kita-Alter – was kommt bei Ihnen in der Praxis an?

Zunächst einmal beobachte ich insgesamt eine immer frühere Mediennutzung: Sehr kleine Kinder bekommen kommentarlos das Smartphone gereicht, wenn sie unruhig werden. Neulich spielte ein dreijähriges Kind schon die ganze Zeit im Wartezimmer und auch auf dem Weg zur Untersuchung auf dem Handy. Es ließ auch im Sprechzimmer nicht davon ab. Ich musste dem Kind bei der Untersuchung aber auch in die Augen schauen und mich mit ihm unterhalten. Als ich klarmachte, dass ich das Handy zwischen dem Kind und mir nicht wünschte, fanden mich die Eltern wohl ganz schön spießig.

Gibt es aus Ihrer Sicht konkrete gesundheitliche Bedenken gegen die Mediennutzung von Kindern?

Ich halte mich da an die Ergebnisse meiner Kollegen in der BLIKK*-Studie: Siebzig Prozent der Kinder im Kita-Alter benutzen das Smartphone ihrer Eltern mehr als eine halbe Stunde täglich. Hinzu kommt dann sogar oft noch weitere Zeit mit anderen Medien.

Es gibt einen Zusammenhang zwischen einer intensiven Mediennutzung und Entwicklungsstörungen der Kinder. Bei Kindern bis zum sechsten Lebensjahr finden sich vermehrt Sprachentwicklungsstörungen sowie motorische Hyperaktivität bei denjenigen, die intensiv Medien nutzen. Daher auch mein Appell an die Eltern: Keine Zeit am Bildschirm von Smartphone, Tablet oder Fernsehen für Kinder unter drei Jahren, danach streng limitiert: Kinder bis sechs Jahre höchstens dreißig Minuten und bis neun Jahre nicht mehr als sechzig Minuten am Tag. Sonst ist die gesunde kindliche Entwicklung – geistig und körperlich – unter Umständen gefährdet.

Was folgt daraus für die Medienerziehung in Kitas?

Ein medienkompetenter Umgang muss – das betont ja auch die BLIKK-Studie – im erzieherischen Kontext bereits im Kindergarten, in Schulen und parallel im familiären Umfeld vermittelt werden. Wird eine digitale Medienkompetenz nicht frühzeitig erlernt, besteht ein erhöhtes Risiko, den Umgang mit den digitalen Medien auch später nicht kontrollieren zu können. Das bedeutet, Medienerziehung in der Kita darf nicht reiner Medienkonsum sein, sondern muss Kindern helfen, Medien gegenüber kritisch zu sein.

Verstehen Sie mich richtig: Kinder sollen schon lernen, digitale Medien zu ihrem Vorteil zu nutzen. Aber bitte im Rahmen der Empfehlungen aus der BLIKK-Studie.


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