Internetsucht

Nicht jeder, der viel daddelt, ist internetsüchtig

Wie groß ist das Suchtpotenzial von Medien? Colette See beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Internetsucht. Sie kennt den Unterschied zwischen echtem Suchtverhalten und normalem „Teenager-Wahnsinn“.


Wenn Colette See mit Müttern und Vätern über die Internetnutzung ihrer Kinder spricht, tastet sie sich langsam vor. Sie will zunächst herausfinden, an welchem Ende der digitalen Schere sich ihr Gesprächspartner verorten lässt. „In etwa jedem dritten Elternhaus in Hamburg gibt es keinerlei Regeln zur Mediennutzung“, sagt die Sucht-Expertin. „In der Mittelschicht neigen Eltern zur Überbesorgtheit und sehen große Probleme darin, wie ihre Kinder Smartphone und Internet nutzen. Kurz gesagt: Zwischen Ottensen und Wilhelmsburg liegen Welten.“

Colette See ist Referentin für Suchtprävention und Neue Medien bei der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen. Trotz des alarmierenden Titels – die 34-Jährige wirkt ernst, aber zugleich unaufgeregt. Vor allem bei der Frage: Ab wann müssen Eltern sich Sorgen um den Medienkonsum ihrer Kinder machen?

Expertin Colette See über Internetsucht
scout-Interview auf YouTube: Expertin Colette See über Internetsucht

Phänomen Internetsucht

„Internetsucht“ ist zwar offiziell nicht als Krankheit anerkannt, aber wissenschaftlich durch Studien belegt. Bei Jugendlichen kommt sie häufiger vor als bei Älteren. Unter den Internetsüchtigen sind Computerspiele eher für junge Männer Suchtfaktoren. Junge Frauen hingegen werden häufiger von der Kommunikation in sozialen Netzwerken abhängig. Die Sucht wird oft von anderen psychischen Erkrankungen begleitet wie etwa Depressionen.

Missverstandene Symptome

Die meisten Jugendlichen sind einfach nur Kinder ihrer Zeit. „Es ist für 16-Jährige heute eher
ungewöhnlich, keinen Ego- Shooter auf dem Rechner zu haben“, diagnostiziert See. Wer viel am Rechner spielt oder ständig das Smartphone in der Hand hat, lebt eigentlich „nur“ den ganz normalen Teenager- Hormon-Wahnsinn. Eltern, die Computerspiele verteufeln und sich wünschen, die Kinder sollen „echte Freunde“ treffen, sagen damit auch Nein zu ihrer Lebenswelt, warnt die Expertin.

Auf Verständnis setzen

Als echte Mutmacherin in der Medienkompetenz rät Colette See, nicht auf Warnungen, sondern auf mehr Verständnis in der ganzen Familie zu setzen. Ihr Tipp für betroffene Eltern: „Spielen Sie einfach mal mit! Lassen Sie sich von Ihren Kinder erklären, was den Reiz des Daddlens ausmacht. Sie werden merken, wie man dabei oft die Zeit vergessen kann“, so Colette See.


Tipps für Eltern

Achten Sie bei Games und Websites auf die Altersbeschränkung.

Besprechen Sie schon im Vorfeld in aller Ruhe, auf welche unpassenden Inhalte Kinder im Internet stoßen können und bleiben sie mit ihrem Kind immer im Gespräch.

Indikatoren für Internetsucht

  • Überlange Bildschirmzeiten
  • Gibt es viel Streit oder Probleme?
  • Werden Hobbys vernachlässigt?
  • Verändert sich das Kind? Macht es bestimmte Sachen nicht mehr
  • Lassen Schulleistungen nach?
  • Hat es versucht, aufzuhören und es gelang nicht?
  • Gibt es Kontrollverlust und aggressive Handlungen wenn „der Stecker gezogen wird“?
  • Starke Zu- oder Abnahme, starke Vernachlässigung der Körperhygiene

Hier gibt’s Hilfe:

Diagnostizierte Abhängige werden stationär behandelt, in Hamburg beispielsweise im UKE. Die Eltern-Medien-Lotsen der Landesmedienanstalt Hamburg/ Schleswig Holstein kommen gern zu TIDE-Elternabenden und informieren. Jeder, auch Nicht-Hamburger, können sich kostenlos bei der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. informieren, telefonisch unter 040 -284 99 18-0 oder im Internet: www.sucht-hamburg.de.

Linktipps

Selbsttest: www.ins-netz-gehen.de/check-dich-selbst/bin-ich-suechtig

Online Wecker für Windows oder als App, um automatisch an Computernutzungszeiten erinnert zu werden: www.ins-netz-gehen.de/downloads/wecker


Colette See sitzt am einem Schreibtisch
Colette See | Foto: R. Schlossnickel

Colette See (34) ist Referentin für Suchtprävention und Neue Medien im Büro für Suchtprävention der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen.

Das könnte Sie auch interessieren: