Medienkompetenz ist gut für die Demokratie

Kinder und Jugendliche nutzen digitale Medien als Marktplatz der Meinungen. Und organisieren hier ihr gesellschaftliches Engagement. Genau deshalb ist Medienkompetenz so wichtig.


Marie lebt im Norden von Hamburg und geht in die dritte Klasse. Demnächst steht in der Grundschule ein Fußballturnier an, und ihre Mädels-Mannschaft muss sich auf ein Trikot einigen: „Blau mit Glitter“ oder „Weiß-Türkis“ stehen zur Auswahl. Die jungen Demokratinnen schreiten zur Abstimmung. Zwei stimmen für Blau. Fünf für Weiß-Türkis. Klare Sache? Von wegen: „Wir fanden das dann gemein, dass die beiden etwas anziehen sollen, was sie nicht wollen“, erzählt Marie. So wurde die Entscheidung vertagt, weitere Verhandlungen standen an. Nach ausdauernden Klärungsgesprächen entscheidet sich die eine Blau-Vertreterin, Weiß-Türkis eigentlich doch zu bevorzugen. Die andere gibt den Weg frei mit dem salomonischen Statement: „Ich finde Blau mit Glitter zwar besser – aber Weiß-Türkis ist auch okay.“ Demokratische Grundfertigkeiten – wie Zuhören, Besprechen, Abstimmen – werden hierzulande bereits im Kindergarten vermittelt. Demokratiebildung, da sind sich Expert*innen einig, kann eigentlich nicht früh beginnen. Doch trotz aller montäglichen Stuhlkreise ist die Demokratie selbst in Gefahr. Jedenfalls kann man das überall lesen: Social Media spaltet die Gesellschaft. Das Internet ist voller verführerischer Lügen und gefährlicher Fake News. In Kommentarspalten wird gegen Minderheiten gehetzt. TikTok spioniert uns im Dienste von Autokrat*innen aus. Wer digitale Dienste und Medien nutzt, läuft Gefahr, auf solche Inhalte zu stoßen. Digitale Endgeräte sind aber nicht nur ein demokratiegefährdendes Problem – sondern zugleich auch dessen Lösung: Politische Jugendbewegungen wie Fridays for Future zum Beispiel wären ohne Chatgruppen und soziale Netzwerke kaum so schlagkräftig geworden. Überhaupt hätte noch vor 20 Jahren wohl niemand vom schwedischen Mädchen mit dem Protestplakat vorm schwedischen Parlament erfahren. Digital getriebener gesellschaftlicher Einsatz ist zudem voll im Trend bei jungen Menschen: 43,2 Prozent der befragten jungen Menschen des „3. Engagementberichts“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugendwerden als „digital Engagierte“ beschrieben – weil sie ihr Engagement "teilweise, überwiegend oder sogar vollständig mittels digitaler Medien ausüben“. Und: „Ein Viertel der jungen Menschen findet den Einstieg in gesellschaftliches Engagement über das Internet.“ Das Fazit des Berichts: „Digitalität erweitert nicht nur die Formen, sondern auch die Inhalte des Engagements.“ Ins Deutsche übersetzt, heißt das: Dank digitaler Medien entwickelt sich ganz neues gesellschaftliches Engagement, das es ohne diese nicht gegeben hätte.

Die Befragten erkennen auch selbst, dass das Netz voller antidemokratischer Umtriebe sein kann: Rund 29 Prozent wollen „die digitale Welt zu einem besseren Ort machen“. Was ja alles ganz wunderbar klingt – wär dafür nicht offenbar ein höheres Bildungsniveau Voraussetzung: „Das Ausmaß dieser Kluft im Engagement zeigt sich […] anhand der geringeren Beteiligung junger Menschen des Hauptschulzweigs an politisch-gesellschaftlichen Themen im Internet“, moniert der Bericht.

Einen positiven Schluss lässt er im Großen und Ganzen trotzdem zu: Die jungen Leute haben in großer Zahl Spaß am demokratischen Aushandeln, am Engagement. Sie wollen die Welt verbessern, auch die digitale. Sie sind nämlich überwiegend nicht, wie man manchmal liest, „demokratiemüde“ oder „desinteressiert“. Sie haben dazu online tolle Mittel an der Hand – und vielfältige Möglichkeiten der Vernetzung. Die Erwachsenen sollten deshalb, anstatt über das gefährliche, antidemokratische Internet zu klagen, ihren Nachkommen ruhig mehr (digitale) Mitbestimmung zutrauen. Dafür müssen aber die rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen, damit junge Menschen weitest möglich vor Hass und Fake News geschützt werden und die oben geschilderten positiven Auswirkungen zum Tragen kommen können.

Freie Meinungsbildung und Meinungsäußerung sind die Basis für politisches Engagement und demokratische Teilnahme. Beides findet heute genauso offline wie online statt. Wenn Kinder schon früh den kompetenten Umgang mit digitalen Medien lernen – von ihren Eltern, in Kita, Schule und auch untereinander – ,dann ist das auch förderlich für eine gesunde Demokratie. Daraus ergibt sich eine einfache Formel: Medienbildung ist Demokratiebildung!