Experten-Interview

Im medialen Klettergarten

Medienpädagoge Henning Fietze lässt Drohnen fliegen, filmt mit kleinen Action-Cams und hat ein Faible für Virtual-Reality-Brillen. Die jüngsten Technik-Gadgets sind für ihn ein „Sesam, öffne dich“ für konstruktive Medienarbeit.


Henning Fietze steht bei Temperaturen um die Null Grad im norddeutschen Winterwind. In der Luft surrt es. Eine kleine Gruppe umringt ihn und versucht, einer flinken Kameradrohne mit den Augen zu folgen. Pädagogen, die auf Drohnen starren. Für Hennig Fietze ist das nichts Besonderes. Er schnappt sich oft die jüngsten Technikspielzeuge seines Arbeitgebers, des Offenen Kanals Schleswig-Holstein, um damit das Interesse an Medienarbeit zu wecken. GoPros, SteadyCams, VR-Brillen. Für ihn ist so etwas wie ein „medialer Klettergarten“, der Kinder und Jugendliche ebenso begeistert wie Erwachsene. Auf Fortbildungen wie in Kiel zeigt er, wie man damit umgeht, und vor allem, welche Konzepte sich damit umsetzen lassen. Berührungsangst mit neuer Technik soll hier abgebaut, Motivation für Medienprojekte aufgebaut werden. Fietze nennt das auch „befürwortende Medienarbeit“. Im Interview mit dem scout-Magazin erläutert der 45-Jährige, was er mit diesem Begriff meint.

Henning Fietze sitzt an einem Tisch und unterhält sich
Medienpädagoge Henning Fietze | Foto: Robert Schlossnickel

Herr Fietze, die technologische Entwicklung, die unser Medienverhalten bestimmt, entwickelt und verändert sich rasant. Reagiert unser Bildungssystem darauf?

Henning Fietze: Unser Bildungssystem reagiert darauf. Es reagiert sowieso ziemlich schnell auf Strömungen bei Kindern, Jugendlichen oder auch Eltern, wenn man bei Bildungssystem nicht nur an Schule denkt. In Schule ist eingebaut, dass sie sich an die KMK-Bildungsstandards halten muss. Die einzelne Lehrkraft, die Schulsozialarbeiterin, der Pädagoge im Jugendtreff, in der offenen Jugendarbeit, können naturgemäß schneller auf Trends eingehen.

Wenn Sie die drei Gruppen in der Medienbildung mit Ihrer Erfahrung aus der alltäglichen Arbeit betrachten, Schüler, Lehrkräfte und Pädagogen, wie würden Sie deren Verhältnis zu Medien definieren?

Ich würde noch die Gruppe der Eltern oder der familiären Bezugsperson dazu nehmen. Alle vier Gruppen positionieren sich ganz ausgeprägt und intensiv zu Medien. Natürlich ist es der Lehrkraft innewohnend, dass sie erst mal auf den Stoffverteilungsplan guckt. Bis wir in Lehrerkonferenzen bestimmte Medien oder eine bestimmte Akzeptanz von Medienmethoden verankert haben, dauert es einfach ein paar Jahre, weil es eine Menge Angebote gibt, die alle in den Unterricht integriert werden sollen. Schulsozialarbeiter nehmen bestimmte Medien ganz schnell an. Jugendliche adaptieren Medien natürlich ganz schnell. Und dann sind da die Eltern. Mit ihnen müssen wir intensiv arbeiten, weil Eltern immer mehr Verantwortung tragen, aber immer weniger Zeit haben, um an Erziehungsfragen heranzugehen.

Eine Drohne auf einer Wiese
Kamera-Drohne | Foto: R. Schlossnickel

Von Ihnen stammt der Begriff der „befürwortenden Medienarbeit“. Können Sie das ein bisschen erklären?

Naja, ich leite das ab aus dem ebenso selbst definierten Begriff der Kicker-Pädagogik. In der offenen Kinder- und Jugendarbeit kommt man oft über lebensweltorientierte Angebote an die Jugendlichen ran. Und auch bei der Medienarbeit kommen wir mit Jugendlichen, aber auch Lehrkräften besser ins Gespräch, wenn wir sie bei dem packen, was sie eigentlich fasziniert. Wenn wir ihnen interessante Angebote zur eigenen Mediengestaltung machen, dann können wir an ganz anderen Stellen platzieren, dass Jugendliche sich um ihren eigenen Schutz in den Medien kümmern. Dass Eltern, weil wir nicht sofort mit dem drohenden Zeigefinger kommen, sich mehr Zeit nehmen für die Medienerziehung. Dass Lehrkräfte sich doch einem bestimmten Medium als Unterichtsmethode öffnen. Und dass all die gestaltenden Pädagogen vielleicht sagen, ich mache konkrete, aktive Medienarbeit, und komme beispielsweise über das Faszinosum des Fliegens mit der Drohne mit Kids ins Gespräch über Mediennutzung zu Hause. All das nennen wir auch befürwortende Medienarbeit. Also, wir gehen erstmal positiv an die Kombination Medien und Jugendliche heran.

Wäre das auch ein Ansatz für Eltern, die mit Befremden sehen, was ihre Kinder mit dem Smartphone machen?

Das hätte ich vor fünf Jahren sofort gesagt. Inzwischen würde ich fast sagen, das ist ein bisschen erfüllt. Seit WhatsApp haben wir da weniger Verständnisprobleme. Das Medienverständnis wohnt den jungen Eltern inne und ist eine Riesenchance, aber sie müssen sich auch die Zeit nehmen, mit ihren Kids gemeinsam damit umzugehen. Inzwischen würde ich sagen, Zeit ist das schwierigere Gut.

Henning Fietze mit einer weißen Drohne in der Hand
Henning Fietze | Foto: R. Schlossnickel

Henning Fietze, 45, ist Medienkompetenzexperte beim Offenen Kanal Schleswig-Holstein in Kiel. Der Medienpädagoge hat das Projekt „GameTreff“ entwickelt, leitet die Ausbildung der „ElternMedienLotsen“ und ist Kolumnist („Fietzes Netzwelt“) in den s.hz-Zeitungen.

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